Zirkus? Variete? Oder?


Sarrasani an CarpaccioNein, Kinder, der Zirkus ist auch nicht mehr Menschen, Tiere, Sensationen. Sarrasani – ein Ur-Dresdner Zirkus mit Wohlklang unter Kennern weltweit – hatte vor dem Krieg in der sächsischen Metropole (die Dresden ja damals war) einen Bau mit Platz für 5.000 Zuschauer(innen). Derzeit tritt Sarrasani wieder auf, halbfest: Neben dem Westin Hotel Bellevue hat Andre Sarrasani bis Mitte Februar sein Winterlager aufgeschlagen und bietet – nicht neu die Idee – die Show zum Abendessen: „Trocadero Sarrasani Theater Dresden“ heißt das Projekt, mit dem Sarrasani nach Dresden heimkehrt. Vier Gänge aus der Bankett-Küche nebenan und – ja, und was ist das, Varieté? Wenige Menschen, ein Tiger-Tier und etwas Zauberei mit einem Touch Sex. Sensationell ist da nichts.
Die Show. Fad, eigentlich. André Sarrasani zaubert aus Kisten Mädels, die man schon jenseits der tschechischen Grenze in den Glaskästen an der Straße gesehen zu haben glaubt. Sie kommen zwar nicht daher, denk‘ ich mal, aber sie bewegen sich so und sind auch so spärlich bekleidet. Nachdem er sie alle aus der Kiste geholt hat, steckt er sie nacheinander wieder rein und zersticht sie, wahlweise mit Säbel oder Glasstab. Das habe ich schon vor dreißig Jahren gesehen, es bezaubert mich nicht wirklich – nur einmal entlockte es allen am Tisch ein „Respekt!“: Als der Tiger, der einzig viehische Teil der Show, hervorgezaubert wurde.
Ansonsten gab es die Frau ohne Knochen, die sich gummiartig mit dem Zeh hintenrum am Kopf jucken kannn, die Frau auf dem Drahtseil, die Frau am hängenden Tuch (das sie sich mit dem Pausenclown teilte), besagten Pausenclown, einen Pantomimen mit köstlich blödem Gesichtsausdruck und einen Jongleur.
Das Essen. Vier Gänge, jeden Tag das gleiche: Carpaccio, Kürbis-Ingwer-Suppe, Kalbsrücken an Barolo-Sauce, Dessert. Die einzenen Gänge zu kritisieren verbietet die Höflichkeit, jedenfalls bis der Koch und seine Brigade Salz und Gewürze gefunden haben und Zeit, den Kalbsrücken mürbe zu kriegen. Lediglich das Dessert überzeugte: Ich denke, ein schönes Beispiel, das man mit gutem Convenience heutzutage nichts falsch machen kann.
Die auftragende Brigade war ein Jammertrauerspiel. Sie trabte nach Lust und Laune im Zelt herum, bedienten aus Prinzip die Leute an einem Tisch nicht gleichzeitig. Willkommen im Zirkus!
Das Trinken. Es gab auch Wein, zum Beispiel für 9 Euro ein Glas hiesigen Rotwein. Barolo, der vielleicht ganz gut zum Hauptgang gepasst hätte, steht nicht auf der Karte.
Das Publikum. Keine Angst, keine Publikumsbeschimpfung. Ich wollte nur anmerken, dass der äußere Manegenring mit den „billigen“ Plätzen (49 / 59 Euro) gar nicht betischt war, so wenig Gäste waren da. Also saßen wir in der Manege, wo es sonst 59/69 Euro kostet, je nachdem ob in der Woche oder am Wochenende.