An manchen Tagen sage ich Dinge, die ich meinen Kindern bei den Versuchen, ihnen Erziehung angedeihen zu lassen, verbieten würde. Auf dem Weg zum Reisebüro, genauer: direkt davor, passierte es, dass ich laut „Scheiße!“ fluchte. Nicht, weil ich realisierte, dass jeder Urlaub seinen Preis hat, selbst individuell zusammengestellter – nein: der Preis für unser Appartement war in Ordnung, und das Reisebüro als Mittler eigentlich auch.
Warum also das Fluchen? Ganz einfach, es war wörtlich gemeint, denn ich saß zwar nicht in der, trat aber ziemlich heftig in die Scheiße. Das hat mir ziemlich gestunken, denn so viel Schuhwerk hatte ich ja nun auch nicht mit, um das einfach austrocknen zu lassen. Notdürftig (hihi, welch passende Worte die Sprache doch manchmal bereit hält!) strich ich die hündischen Verdauungsprodukte am Wegesrand ab und betrat betreten das Reisebüro. Vor mir dran war eine offensichtlich auf Gomera wohnende Dame, die über einen Flug in die Ferien – also weg von der Ferieninsel – verhandelte. Von links plötzlich die Stimme von Klaus (der Klaus, muss man wissen, ist der Chef des Reisebüros. Auf Gomera haben sie das „Sie“ abgeschafft, da duzt man sich munter drauflos und kennt die Leute folgerichtig eher beim Vor- als beim Zunamen). Klaus also tönt von links und spricht die Kundin an: „Dein Hund hat sich direkt vorm Reisebüro ordentlich erleichtert!“ – und unausgesprochen schwang da mit, dass er das scheiße findet und die Kundin wenigstens auf ihren Liebling aufpassen, oder besser noch: die Hinterlassenschaften beseitigen könne.
Da dachte die Werteste aber überhaupt gar nicht dran. „Fee macht sowas nicht!“ säuselte sie, reichlich entsetzt ob solcher Unterstellungen. Sie guckte, als ob Klaus behauptet hätte, sie habe sich erleichtert, aber das hatte er definitiv nicht gesagt, auch nicht gemeint. Madame widmete sich also wieder ihrem Flug und Klaus seinem Fluch: er holte Sand, Schippe und Eimer und erledigte den Job als Hundekotkehrer.
Als wir dann dran waren, gab es noch einen kleinen Disput, aber wirklich nur einen kleinen (den großen haben wir uns für später aufbewahrt). Es war nämlich so, dass wir am Vortag nachmittags ins Domizil gekommen waren, um eine Schnitte unseres morgens frisch gekauften Nussbrotes zu essen. Das hatten sich aber vor uns schon Hunderte von netten kleinen Tierchen, die wie Ameisen aussahen, auch überlegt: sie färbten das leckere Brot in tiefes Dunkel. Man hätte sie beinahe schmatzen hören können, aber Ameisen (es waren tatsächlich welche) schmatzen nicht. Sie verlegen sich aufs geschäftige Hin- und Herwuseln – und sie geben sich keineswegs mit der Brotoberfläche ab, sondern verkriechen sich mampfend bis tief ins Innere. Sylke war der Appetit vergangen, und sie schüttelte auch etwas ungläubig den Kopf, als ich versuchte, die Ameisen mit Klopfen aus dem Brot zu jagen. Wir haben dann also kein Nussbrot gegessen und sind abends ins El Puerto gegangen, über das später noch zu schreiben sein wird.
Diese Sonntagnachmittag Homestory erzählten wir also der netten Dame aus dem Reisebüro, die uns darauf ein breites Lächeln schenkte. Es war so eins von der Art, wo man sich hinterher stundenlang streiten kann, ob sie einen an- oder ausgelacht hat. Ich war für die „an“-Variante, Sylke für die mit „aus“. Wie auch immer: Hormigas, wie Ameisen auf spanisch heißen, gehören zu Gomera wie die Mücken zum Spreewald, meinte sie: “Die leben hier, auch und eigentlich sogar ganz gerne in Küchen.” Auf unseren Hinweis, dass “hormigas” nur entfernt so klingt wie amigas und diese possierlichen Tierchen keineswegs unsere Freunde seien, lächelte sie wieder und rief die Hausverwaltung an, die uns dann wenige Minuten später eine Dose Treibgasameisentod schenkte. Von da an kam alles in den Kühlschrank, was irgendwie nach Essen aussah!
Neben dem Hund und den Ameisen hätte es übrigens noch einen anderen Anlass zum Fluchen geben können: das Wetter hatte offensichtlich genau aufgepasst und beschlossen, Sylke nicht Lügen zu strafen. Die hatte, ich schreib das zur Erinnerung einfach nochmal auf, nämlich am Tag zuvor ganz toll gefunden, wie schnell das Wetter sich hier ändere! Es war also wieder alles grau. Der blaue Himmel war quasi Schnee von gestern, die Sonne versteckte sich wo auch immer – wir sahen sie nicht. Leicht missmutig stiegen wir also ins Auto, um besseres Wetter zu suchen.
Erst mal wurde die Suppe eher dichter. Oben in Arure war die Welt nach 75 Metern zu Ende. Wenn man allerdings die 75 Meter voran gekommen war, sah man wieder etwas weiter – das Ende der Welt war offensichtlich mit uns in Bewegung. Wenn’s im Valle Gran Rey so doofes Wetter ist, orakelten wir während der Fahrt, könnte man ja mal nach Vallehermoso fahren: da regnet es eigentlich viel mehr – aber wer weiß??? Und so war es dann auch: Schon nach der 84. Kehre der kurvenreichen Strecke bot sich ein fabelhafter Blick ins schöne Tal – Vallehermoso begrüßte uns mit einem blauen Himmel und Sonnenschein!
Eine Antwort zu “„Fee macht sowas nicht!“”
ich liebe deine reiseberichte – fast als ob man es selbst erlebt hätte 🙂 (der hundehaufen riecht bie hierher…)