01.11.02

Ideal und Wirklichkeit.

Wer sich ein Bild von Kurt Tucholsky ansieht, der merkt ihm den Genussmenschen an. Schön, wenn man nicht allein ist. Schade, dass Tucho noch keine Magic Soup kannte - dann hätt er sicher drüber geschrieben. Aber der Traum von der großen Lange ist ja auch ganz nett: Ssälawih!

Ideal und Wirklichkeit

In stiller Nacht und monogamen Betten
denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt.
Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten,
was uns, weil es nicht da ist, leise quält.
Du präparierst dir im Gedankengange das,
was du willst - und nachher kriegst dus nie . . .
Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke -
C'est la vie -!

Sie muß sich wie in einem Kugellager
in ihren Hüften biegen, groß und blond.
Ein Pfund zu wenig - und sie wäre mager,
wer je in diesen Haaren sich gesonnt . . .
Nachher erliegst du dem verfluchten Hange,
der Eile und der Phantasie.
Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke -
Ssälawih -!

Man möchte eine helle Pfeife kaufen
und kauft die dunkle - andere sind nicht da.
Man möchte jeden Morgen dauerlaufen
und tut es nicht. Beinah . . . beinah . . .
Wir dachten unter kaiserlichem Zwange
an eine Republik . . . und nun ists die!
Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke -
Ssälawih -!

Theobald Tiger, Die Weltbühne, 05.11.1929, Nr. 45, S. 710,
wieder in: Lerne Lachen. (c) Rowohlt Verlag]

Posted by Ulrich at 01.11.02 21:41 | TrackBack
Comments

I would like to get information about Ideal und Wirklichkeit

Posted by: clairelebleis at 01.11.03 13:28
Ja bitte?!









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