13.12.02

Hemd entflogen.

Diese Geschichte ist nicht lustig. Und sie ist wahr.
Die Geschichte beginnt im Sommer auf einer Dachterrasse. Sie ist in einen Dachseitenflügel eingebaut und zur Hälfte geöffnet. Die reizenden Bewohner der zur Terrasse gehörenden Wohnung nutzen sie, weil arbeitend, zumeist abends und, natürlich, am Wochenende. In der übrigen Zeit ist die Terrasse mal dies, mal das, darunter häufig auch Wäschetrockenplatz. Die Hemden baumeln, weil die Frau des Hauses das so will, an der Dachrinne. Der Hängemechanismus ist einfach: Ein Fleischerhaken hängt an der Rinnne, ein Bügel am Fleischerhaken, das Hemd trocknet am Bügel. Der Herr des Hauses hatte im Sommer mehrfach bedenken wegen der "manchmal bedenklichen und starken Thermik" geäußert, die mit Erfahrungswerten ("Ist denn schon jemals was passiert?") entkräftet wurden.
Ende des ersten Aufzugs.
Der Geschichte zweiter Teil spielt gestern. Es ist kalt in Sachsen. Hemden hängen auf der Terrasse und frieren in wenigen Minuten zum Brett. Das ist der gewünschte Effekt, den man bei Erbsen und Kaffee glaube ich "gefriergetrocknet" nennt und der dort als Qualitätsmerkmal gilt. Die Hemden hängen eiskalt auf der Terrasse auf dem Bügel am Fleischerhaken an der Dachrinne und baumeln im Wind. Die Frau des Hauses ist zufrieden und geht ihrer Dinge.
Ende des zweiten Aufzugs.
Dritter Teil, das Drama beginnt. Und zwar mit der Minute, wo die Hemden eingesammelt und der Bügelverwertung zugeführt werden sollen. Da stellt die Hemdeneinsammlerin nämlich fest, dass eins fehlt. Mitsamt Bügel und Fleischerhaken. Nein, einfach runtergefallen ist es nicht. Eine Runduminspektion der in nahezu alle Himmelsrichtungen zeigenden Schrägen der verwinkelten Dachlandschaft ergibt auch kein positives Ergebnis: Nirgendwo kein Hemd. Treppab spurtet die Frau des Hauses, sich der immer wieder zum Vortrag gebrachten thermischen Bedenken durch Herrn des Hauses eingedenk. Sein Lieblingshemd, ausgerechnet! Gone, with the wind. Eine site inspection blieb erfolglos, ebenso der Besuch aller in Frage kommenden Mieter nebst Besichtigung derer Balkone unterhalb (was bei einer Dachwohnung ja nahezu alle sind).
So sind nun fort: Hemd, Bügel, Fleischerhaken. Und wir fragen uns, ob das Bermuda-Dreieck seinen würdigen Nachfolger hier gefunden hat - oder ob nur jemand auch mit Kragenweite 41 ein zwar ungebügeltes und eisekaltes, aber frisch gewaschenes Hemd gebrauchen konnte?

Posted by Ulrich at 13.12.02 10:03 | TrackBack
Comments
Ja bitte?!









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